Y.D. Bengi: Der letzte Held

“Vom Volk der Gauten bist du der letzte Heergeselle,
ein holder Knabe, edler Enkel Wymunds
Blühende Ehren und Beowulfs Ruhm
erscholl weithin in Schonens Gauen.
Die kühnen Kämpen, wenn Krieg entbrennt
und mutig ihm folgen.”
(Beowulf)

 

Bagdad, 2003 nach Christus. Die altehrwürdige Stadt war nach Gewaltherrschaft, Bombenha-
gel, Feuerbränden, Erstürmung und schließlich nach Ausplünderungen und Entbehrungen am Ende. Sie lag im Sterben. Die Welt hatte anonyme Menschen und die intimsten Winkel dieser Stadt mit teilnahmslosen Blicken betrachtet und alles das als belanglose Nachricht verbucht. Während Bomben das Gesicht der Stadt zerstörten, sorgten böse Blicke für das Ende von Stolz und Ehre.

In der Stadt mit den vielen vermissten Menschen gab es ein Museum, das neben den zahl-
reichen Gegenständen auch den Geist der Bewohner aus der Zeit von Tausenden von Jahren bewahrte. Jetzt wurde das archäologische Museum in Bagdad seit Tagen ausgeplündert. Das Tausende Jahre alte Menschheitsgedächtnis wurde mit Füßen getreten, zerstört oder entwendet.
Es war Tage her, seitdem die Ausplünderung begonnen hatte. Ein junger Mann in ärmlicher Kleidung drang mitten in der Nacht durch ein Fenster in das kaum noch bewachte Gebäude ein. Welche Umstände ihn wohl dazu getrieben hatten? Während draußen der Bombenhagel niederging, hatte er sicher verständliche Gründe, sich Geld beschaffen zu wollen. Aber vielleicht war er auch gar nicht so unschuldig. Vielleicht war er ein Gelegenheitsdieb, der die Gunst der Stunde nutzte ein ganz gewöhnlicher Gauner. Doch eines stand fest: Hätte er eine Wahl gehabt, dann hätte auch er, genau wie diejenigen, die in diesem Moment die Stadt bombardierten, aus vollem Herzen eine edle Aufgabe für sich gewählt. Nicht mitten im Bombenhagel, sondern auf der Seite derer, die mit Popcorn in der Hand aus der Ferne die Ereignisse verfolgten. Dort hätte er jetzt lieber sein wollen. Aber welch vergebliches Begehr: Die Geschichte hatte ihm diesmal eine andere Rolle zugewiesen: die des primitiven Diebes, gleichwohl gemein und hungrig, der den Frieden der Vergangenheit störte.

Der junge Mann ging also ins Museum, er wollte gerade die Gegenstände berühren, die verlorenen Seelen - wie er selbst eine war - vor Tausenden von Jahren gehört hatte. Die tanzenden Flammen der draußen brennenden Feuer erhellten den herausgezerrten Inhalt eines umgefallenen Schrankes. Da stach ihm etwas ins Auge: Auf dem Boden lag ein drei-
eckiges, dickes, handflächengroßes Bronzeschild, auf dem alte, unverständliche Symbole eingraviert waren. (Ausschnitt aus dem Band: Schatten der Zeit)

banheld
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